Japan 2024: Tagesausflug nach Hiroshima und Miyajima

Von Osaka aus ist Hiroshima mit 1h 20min Fahrzeit quasi nur einen Katzensprung entfernt. Da wir ein paar mehr Tage in den japanischen Alpen verbringen wollen, reicht es zeitlich nicht für eine Übernachtung. Da war der Tagesausflug eine gute Alternative, um das 1945 komplett dem Erdboden gleichgemachte Zentrum der Stadt zu besuchen. Für eine Stippvisite zur Insel Miyajima vor Hiroshima war auch noch Zeit.

Shinkansen: Bahnfahren von einem anderen Stern

Alle Shinkansen fahren in Japan von eigenen Bahnhöfen und Gleisen ab, das Regionalnetz ist komplett getrennt. Um zu den Gleisen zu gelangen, geht man durch eine separate Zugangskontrolle zum Shinkansen-Teil des Bahnhofs.

Das erste Highlight schon vor der Ankunft des Zuges: alle warten ordentlich aufgereiht vor den Schranken – gekennzeichnet sind die Haltelinien auf dem Boden, genauso wie die Wagenreihung, die immer stimmt – so geht das Einsteigen ultraeffizient. Für sperriges Gepäck muss man extra Platz mieten beim Ticketkauf, die meisten haben nicht mehr als einen Rucksack dabei. Da man das Gepäck zwischen den Städten von Hotel zu Hotel aber auch versenden lassen kann, ist es gar nicht notwendig, sich mit dem Koffer herumzuplagen.

Zwei Minuten vor der geplanten Abfahrt rollte der Zug dann ein, schnell alle raus, alle rein und schon fuhr der Zug wieder ab – pünktlich quasi auf die Sekunde. In einer Stunde und 20 Minuten legten wir die über 300km nach Hiroshima entspannt zurück. Wer mit der Bahn schon mal von Hamburg nach Dortmund gefahren ist, weiß, dass man dafür in Deutschland doppelt so lange braucht – Verspätungen noch nicht eingerechnet ;). Auch die Taktung ist beeindruckend – zwischen Hiroshima und Osaka fährt quasi alle zehn Minuten ein Shinkansen. Der geplante Deutschland-Takt kann da nicht mithalten. 2013 reisten 420.000 Menschen täglich mit dem Shinkansen zwischen Tokyo und Osaka. Übrigens hatte der Shinkansen am 1. Oktober 60. Geburtstag.

Im Zug selbst ist es sehr ruhig, Telefonabteile scheint es nicht zu geben. Die Toilette ist sehr sauber und sogar inklusive Sitzwärmer und Bidet. Genauso pünktlich, wie wir abgefahren waren, kamen wir dann in Hiroshima an – nicht früher und nicht später als vorgesehen!

Hiroshima Friedenspark & Friedensmuseum

Um kurz nach zehn waren wir in Hiroshima und wurden sogleich vom Regen überrascht. Zusammen mit einer wirklich lebhaften Schulklasse (ich hätte ehrlicherweise erwartet, dass japanische Kinder diesbezüglich weniger Freiheitsgrade genießen, wenn man an das zurückhaltende Verhalten der Erwachsenen denkt) standen wir dicht an dicht in der Straßenbahn, die uns zum rund zwei Kilometer entfernten Friedenspark brachte.

Auf dem Weg dorthin waren ausschließlich Gebäude zu sehen, die nach den 1950er Jahren gebaut zu sein schienen – ein erster Vorbote für das, was Hiroshima zum Ende des Zweiten Weltkrieges widerfahren ist.

Friedensdenkmal

Am Friedenspark angekommen, fiel uns sofort die bekannte Kuppel, das Friedensdenkmal, ins Auge. So ziemlich genau über diesem Gebäude detonierte am 6. August 1945 die Atombombe, in Folge derer rund 140.000 Menschen noch im selben Jahr in Hiroshima starben. Im Umkreis von zwei Kilometern um das Epizentrum herum (das entspricht in etwa der Entfernung zum Bahnhof) wurde faktisch alles bis auf wenige Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Das Gebäude, das zu der Zeit als Industriekammer diente, blieb als Mahnmal erhalten.

Children‘s Peace Monument

Die Inschrift am Kinderdenkmal besagt Folgendes:

Dieses Denkmal steht im Gedenken an alle Kinder, die infolge der Atombombenbombe auf Hiroshima gestorben sind. Das Denkmal wurde ursprünglich vom Tod von Sadako Sasaki inspiriert, die im Alter von zwei Jahren der Strahlung der Atombombe ausgesetzt war. Zehn Jahre später erkrankte Sadako an Leukämie, die schließlich ihr Leben beendete. Sadakos früher Tod zwang ihre Klassenkameraden, einen Aufruf zum Bau eines Denkmals für alle Kinder zu beginnen, die an den Folgen der Atombombe starben. Das Children’s Peace Monument wurde mit Beiträgen von mehr als 3.200 Schulen in Japan und Spendern in neun Ländern erbaut und am 5. Mai 1958 enthüllt.

Auf der Spitze des neun Meter hohen Denkmals hebt eine Bronzestatue eines jungen Mädchens einen goldenen Kranich, der mit Träumen für eine friedliche Zukunft betraut ist. Figuren eines Jungen und eines Mädchens befinden sich an den Seiten des Denkmals.

Die Inschrift auf dem Steinblock unter dem Denkmal lautet: „Das ist unser Schrei. Das ist unser Gebet. Für den Aufbau von Frieden in dieser Welt.“

Warum Kraniche? Weil ein japanisches Sprichwort besagt, dass Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man 1.000 Kraniche aus Origami Papier faltet, was Sadako vor ihrem Tod tat. Hinter dem Denkmal haben Schulklassen und BesucherInnen Kraniche an langen Schnüren in allen Farben des Regenbogens aufgehängt.

Friedensmuseum

Das Friedensmuseum beschäftigt sich mit den Geschehnissen am 6. August 1945 und den Folgen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Vorweg: es findet keine Einordnung der Rolle Japans im Zweiten Weltkrieg statt, hier geht es eigentlich nur um die Opfer der Atombombe und das sehr eindrücklich. Eine Animation und großflächige Bilder am Anfang der Ausstellung geben einen Überblick über Hiroshima vor und nach dem Abwurf der Bombe. Später werden einzelne Schicksale hervorgehoben. Viele Angehörige haben im Laufe der Jahre Gegenstände an das Museum gespendet. Es geht nicht nur um die unmittelbaren Folgen – verkohlte Leichen, schwere Verbrennungen, Strahlenkrankheit, sondern auch um die mittel- bis langfristigen Auswirkungen, z.B. Leukämien, Babys mit Behinderung und psychische Probleme.

Überraschend war für mich, dass wir hier die doch sehr junge lebhafte Schulklasse wieder sahen – ich schätze, die waren so um die 10 Jahre alt – für die die in Bild und Wort sehr graphische Darstellung noch verstörender als für mich als Erwachsene sein muss. Jedenfalls war vom Spaß aus der Straßenbahn keine Spur mehr übrig.

Miyajima

Wir ließen einen Ort zurück, der nachhaltig wirkt und ein bisschen naiv denke ich, wer diese Geschichten gehört hat, der kann nicht wirklich gut finden, dass einzelne Länder Atomwaffen besitzen. Für die zweite Hälfte des Tages hatten wir etwas weniger Bedrückendes vor: die Insel Miyajima.

Mit dem Speedboot ging es direkt beim Friedenspark los, um Zeit zu sparen. Schon nach 40 Minuten Fahrzeit erreichten wir die Insel, die einen Kontrastpunkt zum Gewusel in den Städten darstellt. Auch wenn die Stadt noch sichtbar ist vom Ufer aus, fühlte es sich trotzdem an, als würden wir eine andere Welt betreten.

Wir wurden sogleich von freilaufenden, frechen, aufdringlichen (ja fast schon übergriffigen) Rehen begrüßt, die hier überall zu sein scheinen. Auf dem Weg zum Itsukushima Schrein, der mit seinem 16m hohen Torii als Weltkulturerbe gilt, begegneten wir auf jeden Fall vielen von ihnen.

Da wir bei Ebbe da waren, konnten wir ganz nah ran an das Torii. Auch der Schrein hinter dem Torii ist auf Stelzen gebaut und scheint bei Flut im Wasser zu schweben – übrigens wurde das Ganze so gebaut, dass Normalsterbliche den heiligen Boden der Insel nicht berührten, wenn sie den Schrein besuchten. Die kurze Regenpause nutzten wir, um das Areal zu erkunden Im Schrein selbst genossen wir v.a. die verschiedenen interessanten Blickwinkel und Ansichten.

Der Regen wurde wieder stärker und wir machten eine kurze Pause in einem kleinen Teehaus mit Steingarten am Daishoin Tempel (Tempel sind übrigens dem Buddhismus zugeordnet, Schreine dem Shintoismus). Schiebefenster gaben den Blick in den hübsch angelegten Steingarten frei und wir lauschten dem Regen, der fast poetisch vom Dach tropfte. Hier verlief es sich auch und es waren deutlich weniger Menschen unterwegs.

Zurück zur Fähre nahmen wir den Umweg über den Wald (Waldbaden ist übrigens auch eine japanische Erfindung) und probierten noch ein paar Köstlichkeiten, als wir wieder in dem städtischen Teil ankamen.

Mit der JR-Fähre und einer Regionalbahn ging es zurück zum Bahnhof in Hiroshima, wo wir die Qual der Wahl zwischen den Shinkansen zurück nach Osaka hatten. In Osaka selbst staunten wir abends noch ein letztes Mal über die bunten Reklamen und das Treiben in Dotonbori.

Heute geht es nach Koya-san in die Berge hinter Osaka, wir werden eine Nacht in einem Tempel schlafen.

Food of the Day

2 Kommentare zu „Japan 2024: Tagesausflug nach Hiroshima und Miyajima

  1. Moin, heute habe ich nicht viel Zeit, um den Hiroshima-Artikel zu kommentieren. Wir wollen gleich nach langer Zeit mal wieder nach Siek. Ja, Hiroshima,mon amour! Als sehr geschichtsbewußter Zeitgenosse habe ich mich schon als Schüler gefragt, ob dieser Angriff ein Kriegsverbrechen war oder nicht. Und wie ist Eure Meinung nach der Besichtigung? Die US-Amerikaner haben sich niemals dafür entschuldigt. Übrigens, als Schüler mußten wir uns mit der Seelenlage des Piloten der „Ennelor Gay“ beschäftigen, der die A-Bombe „Little boy“ abwarf… – Die Ausführungen über die JR haben mich natürlich besonders interessiert. Fahren die Züge eigentlich links oder rechts wie wir? Ich will nicht polemisieren, aber ist es nicht erstaunlich, was eine Nation ohne diverse Politikausrichtung und angestrebter Multikultur alles alleine schafft? Eine schöne Tour ins Gebirge wünschen wir Euch! Von Herzen grüßen wir Euch

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    1. Hallo Opi, der Abwurf der Atombombe war auf jeden Fall frei von jedem Sinn – außer vielleicht dem der Abschreckung für all jene, die über Atomwaffen verfügen!

      Die Züge fahren auf der linken Seite (dort wo es zweispurig ist). Was die Innovationskraft der Japaner angeht, kann zumindest Lennart aus der Arbeitserfahrung sagen, dass Kontinuität und Langfristigkeit wichtige Werte sind. Und so setzen Regierungen vielleicht auch manchmal das Werk der letzten Jahre fort und man zieht mal was durch, anstatt vorzeitig abzubrechen? Wahrscheinlich war der Shinkansen in den 60er Jahrenschon eine echte Revolution, die dann aber konsequent umgesetzt wurde

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