Georgien 2023: Abschied von Baku & Abschließende Worte

Samstagmorgen im Zug zwischen Frankfurt und Bremen: Müde, aber erfüllt sind wir wieder in Deutschland angekommen. Meine Seele ist noch dabei, alle Eindrücke zu verarbeiten – im Gegensatz zu den Urlauben, in denen Naturerlebnisse im Vordergrund standen, haben die Menschen in Georgien und Azerbaijan mein Herz in einer Art und Weise berührt, die ich so noch nie auf einer Reise gefühlt habe. Ich lese gerade den Roman „Ali und Nino“, den Zahra mir geschenkt hat. Das Buch handelt von der Liebe der georgischen Christin Nino und dem azerbaijanischen Sohn von Aristokraten Ali vor den Schatten des 1. Weltkriegs – der perfekte Abschluss, da ich viele Orte aus den vergangenen zwei Wochen wiedererkenne…

Sightseeing in und um Baku herum

Wie am Freitag schon angeteasert, haben wir am Donnerstag eine Führung durch die Altstadt von Baku gemacht. Anstatt euch an dieser Stelle mit historischen Details zu langweilen, verweise ich an folgende Auszüge aus unserem Reiseführer von Lonely Planet, der alles, was wir gesehen haben, gut zusammenfasst und die Bildunterschriften zu den Fotos:

Am Freitag hatten wir dann noch einen intensiven Tag: wir haben einen Ausflug mit Guide zum Nationalpark Qobustan und zur Halbinsel Abşeron unternommen. Es war mit 35 Grad der heißeste Tag unserer Reise, somit nicht ganz unanstrengend. Um neun Uhr morgens ging es in der Nähe des Jungfrauenturms los. Wir hatten eigentlich eine Gruppentour gebucht, aber der dritte Gast tauchte nicht auf und so bekamen wir eine ungeplante Privattour. Unser Guide hatte auch schon im Ausland gearbeitet, u.a. in der Ölindustrie, und sprach gutes Englisch. Übrigens: Im Gegensatz zu Georgien, wo viele Menschen sehr freizügig über ihre Meinung zur Politik sprechen, kamen solche Gespräche in Azerbaijan nicht zustande – der Tourismus-Sektor ist staatlich reguliert und beeinflusst, was man im Hinterkopf haben sollte, wenn man touristische Angebote nutzt.

Auf dem Weg in den Qobustan Nationalpark kamen wir an der ersten Ölpumpe Azerbaijans vorbei. Die kommerzielle Ölförderung in Azerbaijan und damit der erste Boom Bakus begann Mitte des 19. Jahrhunderts. Wenn man Baku mit seinen Hochglanzfassaden und seiner Begrünung verlässt, beginnt die Wüste und mit ihr viel Industrie, die im Zusammenhang mit der Ölförderung steht. Übrigens: das Gros der Ölförderung passiert im Kaspischen Meer (das kein Meer ist, sondern der größte See der Welt, aber mit einem relativ hohen Salzgehalt). Auch die Städte sehen nicht mehr so schön aus ;).

Im Qobustan Nationalpark schauten wir uns zunächst ein Museum zu den dort gefundenen Petroglyphen und auch einige der Höhlenmalereien live und in Farbe an. Das fand ich sehr beeindruckend, denn ich hatte tatsächlich vorher noch nie Höhlenmalereien „in echt“ gesehen. Zudem ist die Vorstellung interessant, dass schon vor mindestens 20.000 Jahren Menschen dort lebten. Es war auch erkennbar, wohin und wie oft sich das Kaspische Meer ausgebreitet und zurückgezogen hatte.

Danach ging es weiter durch die Wüste in Richtung der Schlammvulkane, von denen es über 350 Stück sowohl in der großen als auch in der kleinen Version in Azerbaijan gibt. Dies sind keine Vulkane per se, auch wenn sie sich ähnlich verhalten. Methangase und Kohlenstoffdioxide steigen an diesen Stellen auf und bringen den kalten Schlamm an der Oberfläche zur Eruption. Wenn man ein brennendes Taschentuch o.ä. In den Schlund wirft, gibt es aufgrund des Gasgemischs eine Stichflamme. Der Schlamm soll gut für die Haut sein, weshalb direkt neben der Stelle, die wir besucht haben, gerade ein Spa gebaut wird.

Der Wechsel ins einigermaßen klimatisierte Auto tat gut. Auf dem Weg zur Halbinsel Abşeron kamen wir an einer Moschee vorbei, die wir auch besichtigten. Viele Familien waren dort und beteten oder daddelten am Smartphone (vor allem in der Nähe der Klimaanlage). Es gibt in einer Moschee keinen Altar wie in christlichen Gotteshäusern, dafür war das Innere opulent ausgestattet.

Nach einem schnellen Lunch ging es weiter zum Feuertempel (dem sog. Ateshgah) im Nordosten von Baku. Er wurde von Zoroastrern errichtet, das ist eine Religion, die die Kraft der Sonne verehrt. Bevor der Islam nach Azerbaijan kam, war dies der vorherrschende Glaube im Land. Noch heute wird Azerbaijan als „Land des Feuers“ bezeichnet und das Wappen von Azerbaijan zieren noch heute drei Flammen, die sich in den Flame Towers wiederfinden. Noch heute gibt es im Frühling zur Tagundnachtgleiche einen Brauch, bei dem überall Feuer errichtet werden und man u.a. sieben Mal über das Feuer springt, wie wir im Museum lernten.

Unser letzter Tagesordnungspunkt war das ewige Feuer Yanar Dağ, ein natürliches Erdgasfeuer. Auf dem Weg dorthin kamen wir an Dörfern vorbei, wo direkt neben Wohnhäusern Ölpumpen standen – außerhalb des gepimpten Zentrums gibt es ein ungeschöntes Bild der Realität. Das ewige Feuer ist ein natürlich brennendes Erdgasfeuer – der Urban Legend nach entfacht durch die Zigarette eines Ölarbeiters, aber so recht weiß das keiner.

Nachdem wir wieder in der Innenstadt angekommen waren, besorgten wir noch eine Pflanze als kleines Dankeschön für Zahras Mutter und gingen zur Deniz Mall, um uns umziehen und mit Zahra, die nach ihrem Feierabend zu uns kam, einen Tee zu trinken. Gegen halb acht machten wir uns in einem Uber auf den Weg Richtung Fernsehturm, der auf einem Hügel oberhalb der Stadt thront. Glücklicherweise fuhren wir antizyklisch, der Verkehr auf der anderen Straßenseite war wirklich der Wahnsinn und konnte nur noch durch die Polizei geregelt werden!

Im Restaurant im 70. Stock des Fernsehturms genossen wir nicht nur ein sehr leckeres Kebap, sondern auch die herrliche Aussicht auf Baku, das Umland und das Kaspische Meer. Zum Abschluss gab es – wie könnte es auch anders sein – einen Tee und auf dem Weg zum Zuhause der Familie machten wir noch einen Zwischenstopp im Supermarkt, denn wir sollten noch Brot für Proviant und einige Mitbringsel aussuchen. Während wir unsere sieben Sachen packten und mit Zahras Katze spielten, schmierte Zahras Mutter so viele Brote für uns, dass wir eine ganze Fußballmannschaft hätten verpflegen können und pflückte noch Obst aus ihrem Garten für uns. Nach der Dusche war quasi vor der Dusche – 28 Grad Lufttemperatur und 75% Luftfeuchtigkeit sei Dank. Wir ruhten uns noch eine Stunde aus, ehe Zahra und ihre Mutter uns um kurz nach zwei zum Flughafen fuhren. Nach der Gepäckaufgabe gab es noch eine lange Umarmung und ein „Auf Wiedersehen“ – Zahra möchte nächstes Jahr in die Niederlande ziehen und ist dann leichter zu erreichen – und dann ging es schon zur Sicherheitskontrolle. Den fünf Stunden langen Flug verbrachten wir in einem leichten Schlaf und um 07:30 Uhr Ortszeit erreichten wir nicht ganz ausgeschlafen deutschen Boden. Auf dem Rückweg stiegen wir schon in Bremen aus, da Susanne heute ihren 60. Geburtstag gefeiert hat (@Papi und ja, wir haben gestern noch eine Wäsche angestellt – aber auch selbst aufgehängt ;)).

Abschließende Worte

In „Ali und Nino“ heißt es an einer Stelle über Georgien (im Vergleich zu Azerbaijan) sehr passend, wie ich finde, wie folgt: „‚Walk through Tbilisi. […] Do you feel the air of Asia? No. It is a different world from yours. […] We are no Asiatics. We are the furthest eastern country of Europe.“‘

So habe auch ich es auf der Reise empfunden: Georgien ist eine dysfunktionale Demokratie, die sich zwischen russischem Einfluss auf die Oligarchen, die in der Politik das Sagen haben, und dem Wunsch der jüngeren Bevölkerung, der EU beizutreten, bewegt. Das Handeln der Politiker sorgt bei vielen Menschen für Politikverdrossenheit und die Hoffnung auf eine stabile Zukunft im eigenen Land scheint zur Zeit eher ein Traum zu sein. Dennoch ist das Land Europa näher als Asien, auch wenn es scheint, als ob die Uhren hier noch langsamer ticken, wohl auch durch das Patriarchat der orthodoxen Kirche beeinflusst, insbesondere was Themen wie die Rechte von LGBTQ angeht.

Auch wenn ich nur drei Tage Zeit hatte, einen Eindruck von Baku bzw. Azerbaijan zu gewinnen, haben die intensiven Gespräche mit Zahra vorher und auch während unseres Aufenthalts mir noch einmal einen intimeren Eindruck von den Verhältnissen im Land vermittelt. Azerbaijan ist eine funktionierende Autokratie (akzeptabel zumindest für die Menschen mit Geld, die unter dem Radar fliegen), was aber bei jungen Menschen, die gebildet sind und Auslanderfahrung haben, zu einem Exodus aus dem Land führt. Unabhängig von den politischen Bedingungen scheint Azerbaijan tatsächlich die Scheide zwischen Europa und Asien darzustellen: Muslimisch geprägt, aber heute sekulär ist es keineswegs arabisch. Persische und türkische Einflüsse mischen sich mit dem Erbe der Zugehörigkeit zur Sowjetunion. Leider stehen durch die autokratische Führung Menschenrechtsverletzungen und Korruption an der Tagesordnung und eine freie Meinungsäußerung außerhalb der eigenen vier Wände ist nicht möglich!

Für beide Länder gilt: da auf die äußeren Umstände kein Verlass ist, zählen die Beziehungen untereinander umso mehr. Noch nie habe ich eine derartige Gastfreundschaft und Großzügigkeit erlebt wie in Georgien und Azerbaijan. Ob in den entlegenen Bergdörfern Swanetiens oder im Zuhause von Zahras Mutter, jede/n scheint es zu erfüllen, Gäste bewirten zu dürfen. Zahras Mutter hat uns sogar dazu eingeladen, sie noch einmal in Azerbaijan zu besuchen und die anderen Landesteile kennenzulernen. Ich bin mir sicher, es war nicht das letzte Mal, dass ich die Kaukasusregion besucht habe – es ist ein faszinierender Ort, an dem Europa, Asien und Mittlerer Osten zusammentreffen und ich hoffe sehr, dass es eine stabile Zukunft für die Menschen, die dort leben, gibt!

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