Mestia – Ushguli: Etappe 1

Nachdem wir gestern durch ein Missverständnis noch den Gesängen und Tänzen eines georgischen Männerchors beiwohnen durften (in diesem Fall ein glücklicher Zufall), ging es heute Morgen nach einem sehr reichhaltigen Frühstück inkl. Brotzeittüte auf zu ersten Etappe unserer Wanderung von Mestia nach Ushguli. Eine echte Genusswanderung von Dorf zu Dorf mit tollen Panoramen auf die Täler und Gipfel Swanetiens!

Und zwar kam das Missverständnis so: wir hatten am Nachmittag den Gastgeber – und nicht die Herrin des Hauses (das war wohl der Fehler) gefragt, ob wir auch in unserer Unterkunft zu Abend essen könnten, wir hatten nämlich gelesen, dass das Essen dort sehr gut sei. Der sagte ja, es seien zwar zwei Gruppen da, aber für uns wäre auch noch ein Platz frei, um acht ginge es los. Gesagt, getan, um acht Uhr strömten mit uns zwei Reisegruppen aus Polen und Georgien in den Essensraum und setzten sich an die zwei gedeckten Tafeln. Wir wurden von der Herrin des Hauses mit den Worten „It‘s starting in ten minutes“ zu einem Sofa vor der Bar mit Blick auf den Eingang geleitet. Als nächstes folgte die Frage „red or white“ – wir nahmen weiß – und wir bekamen zwei Gläser Hauswein und einen Teller mit Kirschen und Orangen in die Hand gedrückt. Gut, das ist vielleicht die Vorspeise, dachten wir uns. Die Reisegruppe legten derweil schon ordentlich los.

Um zehn nach acht betrat ein georgischer Männerchor bestehend aus sechs Männern in traditioneller Tracht gekleidet den Raum. Der „Leadsänger“ – falls man das so sagen kann – erzählte ein paar Takte auf Russisch – außer für uns für alle verständlich, gab einen Trinkspruch von sich (überhaupt floss der Wein wie Wasser). Dann legte der Chor akapella los – und wow, es war wirklich beeindruckend. Im Laufe der nächsten Stunde traten die Männer mehrmals auf, später auch mit zwei traditionellen Musikinstrumenten, einer Art Laute und einer Harfe, die wir auch schon im Museum gesehen hatten. Wir wunderten uns ein bisschen, dass es nichts zu Essen gab, aber dafür gab es ja was zum Gucken und Zuhören.

Der Männerchor

Der polnische Reisegruppenleiter hatte irgendwann davon berichtet, dass wir Deutsche seien. Da wechselte der Chorleiter – der sicher schon Anfang / Mitte 60 war in ein gutes Englisch und erzählte von einer Begebenheit aus dem Jahr 1997. Damals war ein Deutscher zu Besuch in Swanetien, dessen Großvater zum Kriegsende im Kaukasus in Gefangenschaft geriet, aber freigelassen wurde und nach Deutschland zurückkehren konnte. Der deutsche Mann war von dem Gesang des Männer- und Kinderchors so beeindruckt, dass er den ganzen Chor nach Deutschland einlud, wo der Chor in 19 Städten auftrat. Es war wohl eine willkommene Geste in einer für Georgien schweren Zeit! Und irgendwie ist die Geschichte für mich auch der Beweis dafür, dass Menschlichkeit am Ende siegt.

Als die Tische beiseite gerückt wurden und das Tanzen begann, klärte sich das Missverständnis auf: vorsichtig fragten wir unsere Gastgeberin, ob es denn noch die Möglichkeit gäbe, etwas zu essen. Oh, da müsste sie nur schnell was für uns kochen. So viel Umstände wollten wir ihr natürlich nicht bereiten und so ließen wir uns einen Restaurant-Tipp geben. Zum Glück haben die Restaurants hier alle sehr lange auf und wir bekamen noch gebackene Auberginen, Pilze, Salat und Brot, bevor es ins Bett ging.

Pünktlich mit dem Hahn wachten wir heute Morgen auf und waren sehr überrascht von dem reichhaltigen Frühstück. Glücklicherweise gab es Brottüten für unterwegs, so dass wir gut gestärkt, aber nicht zu sehr, um kurz nach halb neun bei strahlendem Sonnenschein aufbrachen. Es ging schnell ein paar Höhenmeter bergauf, sodass wir auch die Hosenbeine abzippten. Für die heutige Wanderung nach Zhabeshi gibt es nur wenige Worte – außer vielleicht atemberaubend, ursprünglich und einfach nur: ein Genuss! Bilder sagen ja bekanntlich manchmal mehr als 1.000 Worte:

Ein Kommentar zu “Mestia – Ushguli: Etappe 1

  1. Moin, wenn man die Fotos anschaut, könnte man meinen, ihr seid in Alto Adige. Betr. deutscher Kriegsgefangener: Habe in meine Geschichtsbücher geschaut. Vielleicht gehörte der deutsche Soldat zur 1. Gebirgsjägerdivision. Die hatte den Auftrag, den Kaukasus zu überqueren und die georgische Hafenstadt Suchomi (wichtiger Schwarzmeerhafen für die Rotbannerflotte) zu besetzten. Das Unternehmen mißlang, geglückt ist aber die Besteigung des Elbrus (ca. 5600 m) durch deutsche Soldaten. Dort auf dem Gipfel wehte dann tatsächlich bis zum Rückzug 1943 die Reichskriegsflagge. Have a good day!

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