Trekking in der Hardangervidda: 4 abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tage

Nachdem wir herrlich entspannte Tage mit unseren Freunden und ihren Kindern in Schweden genossen haben, ging es vor einer Woche weiter nach Norwegen. Über Oslo sind wir in die Hardangervidda gereist, Europas größtes Hochplateau. Da noch sehr viel Schnee lag, mussten wir unseren ursprünglichen Plan etwas ändern und starteten von Haukeliseter (am südlichen Rand des Nationalparks gelegen) Richtung Süden zu einer dreieinhalbtägigen, anspruchsvollen Trekking Tour.

Tag 1: Haukeliseter – Kvanndalen

Beim Aufwachen begrüßten uns strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen. Nachdem wir uns noch reichlich am Frühstücksbüffet gestärkt und unseren Autoschlüssel an der Rezeption abgegeben hatten, schulterten wir unsere Rucksäcke und los ging es. Wir hatten Proviant für 4 Tage + Puffer dabei (aus vergangenen Wanderungen haben wir gelernt, dass man eigentlich nicht zu viel dabei haben kann), dementsprechend fühlte sich die Last auf unseren Hüften noch ungewohnt und schwer an.

Der See vor der Haukeliseter Fjellstua beim Losgehen

Der Start in die Wanderung war angenehm und wir kamen recht schnell voran. Im Vorfeld hatten wir uns natürlich etwas darüber informiert, was uns erwartete, und auch mit den Mitarbeitern der Hütte über unsere Pläne gesprochen. Da es allerdings in eine andere Richtung als geplant ging, beruhte unser Informationsstand auf der ut.no Karte und den darin beschriebenen Routen – allesamt mit dem Schwierigkeitsgrad “Schwer” (etwa alpiner Grad T4 bis T5, allerdings ohne Gletscher). So wussten wir noch nicht ganz genau, was auf uns zukommen würde.

Mit den ersten Höhenmetern mussten auch die ersten Schneefelder gequert werden – dank unserer Trekkingstöcke und weil der Schnee noch recht griffig war, stellte das allerdings kein Problem dar. Hinter uns erhoben sich die mächtigen Gipfel der Hardangervidda.

Beim Überqueren der Schneefelder; hinter mir die Hardangervidda

Eine einfache, aber saukalte Furt galt es vor der Mittagspause noch zu meistern (so kalt, dass es mich sehr laut zum Fluchen gebracht hat). Dank extra angeschaffter Watsandalen (sehen scheiße aus, sind aber super funktionell und übrigens auch mega bequem) blieben die Wanderschuhe zum Glück trocken und die Füße konnten in der Mittagspause trocknen, während wir das Wiedersehen mit einem alten Bekannten genossen: den guten, alten Yum Yum Nudeln – dieses Mal sogar mit echter Gemüsebeilage bestehend aus den Resten, die noch vom Vortag übrig waren.

Mit dem Aufstieg zum Bergpass wurde die Landschaft immer dramatischer. Als wir den höchsten Punkt passiert hatten, verengten sich die Berge links und rechts von uns zu einer Schlucht. Auf etwas über 1.100m Höhe erwartete uns die erste Herausforderung in Form einer Flussquerung, die durch sehr hohe Schneefelder am Rand erschwert wurde. Wir kniffelten etwas, überlegten, ob es später möglich wäre, über eine Schneebrücke den Fluss zu passieren, aber dafür waren die Hänge zu steil. Auch ein Umdrehen zogen wir in Erwägung, entschieden uns dann nach reiflicher Überlegung aber dazu, es zu versuchen.

So ließen wir uns auf dem Po rutschend vom Schneefeld zum Rand des Flusses ab, wechselten auf die Watsandalen, machten den Rucksack lose (sehr wichtig, falls das Wasser einen mitreißt) und furteten zur anderen Seite. Das Schwierigste war es, auf der anderen Seite wieder von einem Fels auf das Schneefeld hinauf zu kommen. Robbend und unter Zuhilfenahme unserer Stöcke zogen wir uns das Schneefeld hoch (wer Star Wars Episode III kennt, es hatte etwas von der Szene, in der Darth Vader seine Arme und Beine verliert).

Die Flussfurt von der anderen Seite aus gesehen – der Schnee am Rand stand noch mehr als zwei Meter hoch!

Im weiteren Verlauf wurde es nicht einfacher. Es ging zwar beständig bergab, aber zwischendurch, der Topografie geschuldet, auch immer mal wieder hoch mit einigen ausgesetzten Passagen, die mit leichterem Gepäck sicher einfacher zu bewerkstelligen gewesen wären, mit vergleichsweise schwerem Trekkingrucksack aber allerhöchste Konzentration und Ruhe erforderten. Als sich die Schlucht weitete und vor uns das Tal Kvanndalen öffnete, waren wir sehr froh und stiegen ab, bis wir die erstbeste (aber auch echt schöne) zum Zelten geeignete Stelle fanden. Es roch leicht nach Schafscheiße, aber das war uns egal, als wir nach etwas über 18 km gegen 20 Uhr unser Zelt aufbauten. Rasch kühlte es ab und wir kuschelten uns nach einem leckeren Essen samt Nachtisch in unsere Schlafsäcke. So ist übrigens auch mein Traum in Erfüllung gegangen, Mittsommer in Skandinavien unter freiem Himmel und bei gutem Wetter zu verbringen ;).

Tag 2: Kvanndalen – Taklibekken

Am zweiten Tag wachten wir, wie angekündigt, mit Regen auf. Es dauerte etwas, sich aus dem warmen Schlafsack zu schälen und in die Gänge zu kommen – aber Porridge und Instant Kaffee halfen dabei, wach zu werden. Leider mussten wir unser Zelt im nassen Zustand abbauen, aber es half nichts, es hörte einfach nicht auf, zu regnen.

Um 09:45 Uhr ging es los. Die nächsten neun Kilometer gestalteten sich eher bastelig. Mal ging es ganz nah zum Fluss, mal weiter weg, hoch und runter, steinig und matschig wechselten sich ab. Zwischendurch schreckten wir viele Schafe auf bzw. diese liefen vor uns oder beäugten uns auch mal mit einem Schweigen der Lämmer Blick.

Das Schweigen der Lämmer

Gegen halb zwei erreichten wir endlich die DNT Hütte Kvanndalen, an der wir Mittagspause machen wollten. Bis dahin hielten wir uns mit Riegeln über Wasser, aber der Magen hing mir zugegebenermaßen schon in den Knien und die Laune war dementsprechend gut. Zumindest hatte es kurz zu regnen aufgehört. Inzwischen befanden wir uns auf weniger als 700 Höhenmetern und unterhalb der Baumgrenze, sodass es zwar keine Schneefelder mehr, aber zunehmend sumpfige Stellen gab. Hier stellte sich auch heraus, dass meine Wanderschuhe zwar noch ein gutes Profil aufweisen, aber nach ca. 1.500 gewanderten Kilometern leider nicht mehr so wasserfest sind wie im Ursprungszustand. Meine Füße waren erst am letzten Tag der Wanderung wieder so richtig trocken :D.

Nach einem kurzen Austausch mit den einzigen zwei Wanderern, die uns diesem Tag begegneten – zwei Norweger, die über einen einfacheren Weg zur Hütte gekommen waren und diese als Basecamp nutzten – erwartete uns ein weiterer Klassiker der Trekking Küche: Instant Kartoffelbrei gemischt mit Tütensuppe für den guten Geschmack und Paprika und Pilzen.

Wollgras vor einer der ältesten DNT Hütten Norwegens

Im Gegensatz zu den schwedischen STF Hütten sind die DNT Hütten übrigens häufig unbemannt. Man kann durch die Mitgliedschaft beim DNT einen Generalschlüssel bekommen, um die Hütten aufzuschließen, in diesem Fall war die Hütte allerdings unverschlossen, da sie Teil des Stavanger Turistforeningens ist. Das Ganze basiert auf Vertrauensbasis, in einer App kann man Übernachtungen oder die Aufnahme von Vorräten erfassen und bezahlt dann, wenn man wieder Empfang hat. Wir waren allerdings nicht auf die Hütten angewiesen, da wir unser Zelt und Vorräte dabei hatten. Nur die Toilette nutzten wir, die Natur dankt es ;).

Nach der Mittagspause hieß es für eine halbe Stunde entspanntes Wandern durch Birkenwald und das Ganze sogar ohne Mücken – wir waren wohl früh genug im Jahr unterwegs. Wenn ich allerdings gewusst hätte, was uns nach der Brücke über den Fluss erwartete, vielleicht wäre ich am vorherigen Tag umgekehrt.

Es fing wieder an zu nieseln und die Aufgabe lautete: Vertikales Wandern, Bergsteigen – wie auch immer man es nennen mag. Auf 1,5 km galt es 300 Höhenmeter zu bewältigen, teilweise mit bis zu 40% Steigung. Ciao, Komfortzone, es wurde richtig haarig. Vielleicht kennt der/die eine oder andere von euch diesen glatten skandinavischen Fels, den man auch häufig in den Schären findet – der bei Regen richtig schön nass und rutschig wird. Hier half nur Hochrobben, Durchatmen, jeden Schritt für sich setzen. An anderen Stellen bot der Fels mehr Reibung bzw. Griffe, aber eigentlich wollte ich nicht mit 15kg auf dem Rücken Bouldern gehen.

Aber auch diese Aufgabe bewältigten wir verletzungsfrei. Auf dem Plateau angekommen, erwartete uns neben einer grandiosen Aussicht endlich entspannte, wellige Heide-Landschaft à la Kungsleden.

Um 18 Uhr beschlossen wir, unser Zelt aufzuschlagen. Eigentlich wollten wir weiterkommen, aber der Weg führte wieder höher und durch zunehmend mehr Schneefelder, sodass wir beschlossen, nach 14,5 km Pause zu machen. Im Nieselregen bauten wir das Zelt auf, holten Wasser für das Abendessen, gingen für die obligatorische Katzenwäsche mit Schmelzwasser zum Bach in der Nähe (man muss sich ja gegenseitig noch riechen können :P) und danach erstmal in den Schlafsack zum Aufwärmen. Wir genossen unsere Pasta mit Erbsen und Walnüssen und den Himbeer Crumble zum Nachtisch (übrigens auf gefriergetrockneter Basis) und schliefen satt und zufrieden ein.

Unser Zeltplatz an Tag 2

Tag 3: Taklibekken – Vassdalstjön

Tag 3 begüßte uns wieder mit Nieselregen – wie sich nach dem ersten Blick aus dem Zelt allerdings herausstellte, war das gar kein echter Regen, sondern wir hingen nur in den Wolken fest. Unsere Zeltroutine ging an diesem Morgen fixer, sodass wir pünktlich am Morgen mit nass verpacktem Zelt und nassen Füßen in den Wandertag starteten. Wegen der Kälte und Feuchtigkeit in der Nacht waren die Schuhe leider nicht getrocknet.

Nach den Herausforderungen des zweiten Tages wartete die nächste Challenge auf uns – finde den Weg bei schlechter Sicht plus vielen Schneefeldern. Bis zum frühen Nachmittag waren wir immer auf der Suche nach dem nächsten roten T (so sind hier die Wanderwege markiert), denn bei Sichtweiten von geschätzt 50 Metern half es nichts, zu versuchen, die Landschaft zu lesen. Auch unser GPS Gerät half uns an der einen oder anderen Stelle weiter. Es ging neben sketchy Schneebrücken wieder über blanken Fels, hier halfen die Wanderstöcke und Ruhe bewahren.

Die Aussicht, insbesondere auf die Bergseen, auf denen noch einige Eisschollen trieben, wäre sicher schön gewesen, aber die Stimmung im Wolkennebel hatte auch etwas Magisches. So etwas erlebt man im Alltag nicht oft und es ist eine interessante Erfahrung, sich am Rand der Orientierungslosigkeit zu bewegen! Zum Glück war der Weg hier im Gegensatz zu Tag 1 und 2 sehr gut markiert, sodass wir nicht von ihm abkamen.

In Richtung unseres Zwischenziels Holmavatn, an dessen Ufer sich auch eine DNT Hütte befindet, klarte es zum Glück auf und auch der Weg wurde einfacher, sodass wir gut Meter machten. Unterwegs begegneten wir nur drei anderen Wanderern, von denen einer auch in unsere Richtung lief und in dessen Fußstapfen wir später die Schneefelder laufen konnten. An der Holmavatn Hütte angekommen, nutzten wir die kurze Regenpause, um die enttäuschend geschmacklosen Davert Nudeln zu verzehren – es lebe das Glutamat in den Yum Yum Nudeln. Es war auch so kalt, dass die Nudeln sehr schnell kalt wurden und auch nicht richtig weich. Aber auch das gehört zu einer solchen Wanderung dazu und zum Glück hatten wir noch ein bisschen Schoki.

Blick auf den Holmavatn

Weiter ging es in den Wolken. Der Wanderer vor uns musste noch eine bessere Sicht gemacht haben, seine Spuren durch die Schneefelder führten präzise zu den wenigen sichtbaren T’s und so konnten wir ihm gut folgen. Im weiteren Verlauf der Wanderung klarte es immer wieder auf, sodass wir uns ein bisschen besser orientieren konnten als noch am Vormittag.

Den höchsten Punkt unserer Wanderung passierten wir auf etwas über 1.300 Höhenmetern auf dem Bergpass Turistskaret, immer darauf bedacht, möglichst am Rand des Schneefelder zu laufen, da unter den Schneefeldern (gerade im Anstieg und Abstieg) schon die ersten Flüsse beginnen, zu fließen.

Auf dem Turistskaret

Im Abstieg klarte es auf und vor unseren Augen eröffnete sich eine grandiose Aussicht. Über das große Schneefeld (an der Nordseite war die Schneedecke noch wesentlich höher als an der Südseite) ging es fix bergab und wir fanden kurz hinter dem Bergpass wie geplant einen schönen Zeltplatz nach etwa 16,5 km an diesem Tag. Auch die Sonne ließ sich wieder blicken und so wurde es schnell murkeliges warm im Zelt. Wir genossen unseren letzten Abend im Fjell mit einer Portion Jägertopf, Tee und Krimi hören zum Einschlafen.

Tag 4: Vassdalstjön – Haukeliseter

Nach einer kalten Nacht, die mich zwischendurch dazu veranlasst hatte, den Reißverschluss des Schlafsacks ganz hoch zu ziehen und den Kragen enger zu stellen, wurde ich mit dem Verrutschen meiner Schlafmaske (die braucht man hier oben im Sommer) von der Sonne geweckt. In mir regte sich leichte Wehmut, sollte dies doch der letzte Tag unserer Wanderung sein, aber insgeheim freute ich mich auch auf eine warme Dusche und ein richtiges Bett. In der Nacht hatte ich auf einem Hubbel gelegen und war so ein bisschen verspannt im Rücken.

Wir genossen unser Frühstück in der Wärme, packten das endlich trockene Zelt ein, cremten uns gut mit Sonnencreme ein – keine Wolke war am Himmel zu sehen – und brachen gegen neun Uhr auf. Der Weg hielt keine großen Überraschungen parat, nur über den Schneefeldern herrschte flirrende Hitze und wir cremten ein, zwei Mal nach, um unsere Haut vor Sonnenbrand zu schützen.

Später wurde der Weg etwas nervig (viele Steine und Sträucher), sodass wir für insgesamt 10,5 km doch etwas länger benötigten als geplant. Nachdem wir eine interessante Brücke passiert hatten, begegneten uns auch wieder mehr Wanderer, die vermutlich das gute Wetter abgepasst hatten oder als Tageswanderer von Haukeliseter aus unterwegs waren.

Wenigstens keine nassen Füße geholt

Um halb zwei trafen wir wieder in Haukeliseter ein, holten unseren Autoschlüssel ab und wuschen erstmal unsere Füße in dem eiskalten See.

Das tut gut!

Wir aßen noch eine Kleinigkeit zum Mittag, stießen mit alkoholfreiem Bier auf diese wirklich außergewöhnlich schöne, brutale und abwechslungsreiche Tour an und fuhren dann weiter Richtung Hardangerfjord, wo wir in den letzten Tagen entspannten Rentnerurlaub gemacht haben (d.h. keine halsbrecherischen Touren, Schlafen im richtigen Bett, die besten Ziele sind die, wo der Weg zum Parkplatz nicht zu weit ist :D). Auf der Autofahrt stellte ich auch fest, dass diese schon so grandiose Aussichten bot, dass man sich wirklich fragen muss, warum man sich so etwas antut…

Warum also?

Für mich persönlich stellt das Trekking mit Zelt eine völlige Reduktion auf die menschlichen Grundbedürfnisse dar. Was ist einem am Ende des Tages wirklich wichtig? Sicher ans Ziel kommen, ein Essen im Magen, Wasser, um den Durst zu löschen, Wärme und menschliche Nähe. Wenn ich im Fjell unterwegs bin, bin ich völlig im Moment und zu keinem Zeitpunkt vermisse ich Social Media. Es ist ein so besonderes Gefühl, morgens aufzuwachen und direkt draußen zu sein.

Dieses Ausgesetzt-Sein gegenüber der Natur führt mir vor Augen, wie sehr wir ihr im Alltag fern sind und sie uns untertan gemacht haben, sei es durch Straßen, Gebäude, Elektrizität oder moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Gleichzeitig bin ich sehr froh über all diese Dinge, da sie unser Leben echt einfacher und sicherer machen.

Mein Tipp an euch alle da draußen: Probiert es doch diesen Sommer mal im Kleinen aus: Sei es die Wanderung zu einer Hütte im Mittelgebirge in eurer Nähe, Zelten im Garten oder ein Picknick mit schöner Aussicht. Es müssen nicht immer gleich die Extreme sein ;).

Mein Tipp an alle Norwegen-Reisende: Die ut.no App stellt for free Kartenmaterial und Tourenvorschläge zur Verfügung, was die Planung solcher Touren erleichtert. Aber Achtung: beachtet unbedingt die Schwierigkeitsgrade – unsere Tour war beispielsweise als “Krevende” = Schwer bezeichnet und glaubt mir, es waren wirklich ein paar harte Stellen dabei. Im Hardangerfjord haben wir die letzten Tage ein paar leichtere Touren unternommen, die sich auch gut mit körperlichen Wehwehchen oder Kindern bewältigen lassen.

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