Mit einer geführten Tour – durch den Mangel an wirklich gutem Nahverkehr außerhalb von Tbilisi nicht anders möglich – machten wir heute eine abwechslungsreiche Tour in Richtung Gori. Da der Bus schon voll war, als wir am Treffpunkt ankamen, wurde es sogar eine Privattour mit eigenem Guide ;).
Uplistsikhe
Unsere erste Station heute war die am Mtkvari gelegene Höhlenstadt Uplistsikhe, eine der ältesten menschlichen Siedlungen im Kaukasus. Schon im Jahr 3.000 v. Chr. lebten hier Menschen. Seine Blütezeit erlebte Uplistsikhe zwischen dem 6. Jahrhundert vor und 1.000 nach Christus. Vor und auch nach der Christianisierung Georgiens war der Glaube der Bewohner heidnisch geprägt, sie glaubten an die Kraft der Sonne (weshalb auf ausgegrabenen Tonvasen z.T. Hakenkreuze abgebildet sind) und an die Urmutter Nana und opferten Tiere in Riten. Die BewohnerInnen stellten hier schon früh Wein her, wovon Ausgrabungen und sogar eine Art Weinkeller mit kreisrunden Einlassungen im Boden, in denen der Wein in Ton-Amphoren gelagert wurde, zeugen. Die Mongolen, Erdbeben und die nicht so stabile Bauweise des Mittelalters zerstörten die Stadt mit der Zeit.





Innerhalb Georgiens stellte Uplistsikhe in der Hochzeit einen strategisch wichtigen Knotenpunkt dar: die Seidenstraße führte durch diesen Ort. Interessante Parallelen lassen sich übrigens zur neuen Seidenstraße ziehen: auf dem Weg von Mestia nach Tbilisi fuhren wir ab Kutaisi auf einem Autobahnabschnitt, dessen Bau von dem vorherigen Präsidenten Micheil „Mischa“ (so nennen ihn alle Georgier) Saakaschwili aangestoßen wurde, neben anderen Abschnitten auf der Ost-West-Querung des Landes. Allerdings führt bis heute noch keine durchgehende Autobahn von Batumi nach Tblisi, deshalb dauert eine Fahrt durch das Land auch so lange. Inzwischen wird auch an den Abschnitten zwischen den fertiggestellten Teilen der Autobahn gearbeitet – und nicht etwa unter russischer oder EU-Führung, sondern unter der des staatlichen chinesischen Straßenbau-Konzerns. China versucht also auch in dieser Region, seinen geopolitischen Einfluss auszubauen.
Gori
Nach einem leckeren Mittagessen in Gori stand eine eher schwer verdauliche Führung durch das Stalin-Museum in Gori an. Du hast richtig gelesen: in Gori haben die Georgier ihrem „Führer“ nach seinem Tod ein eigenes Museum gewidmet, ungeachtet seiner Gräueltaten (diese waren auch nicht wirklich Thema in dem Museum). Glücklicherweise ordnete unser Guide einiges historisch ein, wenn man sich auf einen lokalen Mitarbeiter des Museums verlässt, wird wohl Einiges ausgelassen.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Stalin als Iosseb Bessarionowitsch Dschugaschwili in Gori geboren. Neben seinem Geburtshaus ließ er schon zeitlebens ein herrschaftliches Gebäude errichten, das nach seinem Tod in ein Museum für ihn umgewandelt wurde. Seine Gräueltaten – Millionen von Opfern, die in Gulags schufteten und starben, Ermordung von politischen Gegnern und ethnische Säuberungen – fanden lediglich in einem unscheinbaren Nebenraum im Eingangsbereich Erwähnung. Direkt daneben hingen Kleidungsstücke von ihm – geschmacklos!
Das Museum arbeitet verschiedene Stationen von Stalins Leben ab – Kindheit und Jugend in Gori, Abbruch des von seiner Mutter forcierten Theologie-Studiums, Namensänderung zu Stalin = Mann aus Stahl, Durchführung von und auch Verurteilung wegen mehrerer Bankräube zur Finanzierung der Revolution. Stalin war wohl schon immer wegen seines Aussehens unsicher, deshalb waren fast alle Fotos von ihm „gephotoshoppt“ und Propaganda Gemälde durften nur mit seinem Segen gemalt werden. Sein Schreibtisch im Kreml wurde auch gezeigt – sehr lang. Ein ganzer Raum war dem Sieg des Großen Vaterländischen Krieges gewidmet – wie der 2. Weltkrieg interessanterweise auch in Georgien noch heute genannt wird.










Mein generelles Fazit: Interessant mit Führung, als Deutsche habe ich die Ausstellung aber als grotesk, geschmacklos und gruselig empfunden. Diese Art von Personenkult liegt mir absolut fern. Ich frage mich, inwieweit das noch heute Georgiens Verhältnis zu Russland beeinflusst. In Litauen herrscht meiner Erfahrung nach beispielsweise absolute Ablehnung von Stalin und seinem Erbe, da während Litauens Zugehörigkeit zur UdSSR ca. 10% der Bevölkerung getötet bzw. in Gulags verschleppt wurde…
Ich bin mir unsicher, ob ich einen Besuch in dem Museum empfehlen würde oder nicht. Auf der einen Seite sollte der Personenkult um einen Menschen wie Stalin meiner Meinung nach nicht finanziell unterstützt werden! Auf der anderen Seite bekommt man so noch einmal einen anderen Blick auf das Land und seine Leute: Neben all der Gastfreundschaft und Großzügigkeit, die wir bisher erlebt haben, scheint dieser glorifizierende Blick auf die Geschichte leider ein Überbleibsel der Sowjetunion zu sein. Junge Menschen wie unser Guide sind schon „aufgeklärter“, was die Ereignisse unter Stalins Herrschaft angeht, aber wie er auf meine Nachfrage selbst zugab, wird das Thema in der Schule nicht besonders tiefgründig behandelt.
Jvari Kloster am Zusammenfluss von Mtkvari und Agvari
Nach der schweren Kost durften wir eine schöne Aussicht am Jvari Kloster auf den Zusammenfluss von Mktvari (der durch Tbilisi bis nach Baku fließt) und Agvari genießen. Das Kloster selbst ist spektakulär auf einem Hügel gelegen. Hier lernten wir auch, warum georgische Kreuze manchmal krumm sind: weil sie aus Zweigen von Wein bestehen und von dem Haar der Heiligen Nino zusammengehalten werden.



Svetitskhoveli Kathedrale in Mtskheta
Als letzte Station besuchten wir die im 11. Jahrhundert erbaute Svetiskhoveli Kathedrale in der ursprünglichen Hauptstadt Georgiens, Mtskheta. Es war interessant, hier ein bisschen was über den Heiligenglauben und auch den orthodoxen Glauben zu erfahren.
Der Legende nach konnte beim Bau der Kirche der mittlere Pfeiler nicht in den Boden gerammt wurden, weshalb die Heilige Nino die ganze Nacht betete, woraufhin es doch gelang. Später soll die Säule auch noch andere Wunder vollbracht haben – deshalb bedeutet der Name der Kathedrale übersetzt „lebensspendende Säule“.






Irgendwie erinnerte mich der ganze Komplex um die Kathedrale herum an Schloss Duloc aus Shrek: viele Souvenir- und Fressstände mit Plastikblimblim und Weintasting, Ponyreiten vor der Mauer, die die Kathedrale umgibt, und wer kassiert ab? Richtig, die Kirche, wunderbar ironisch manifestiert in einem Priester mit Klingelbeutel und Weihrauch-Wedel ab Ausgang zum (gebührenpflichtigen) Parkplatz… und wenn es um Kommerz geht, wird auch die sonst so strenge Kleiderordnung offenbar aufgeweicht, in dieser Kirche ging es auch kniefrei und ohne Kopfbedeckung…
Nachtrag: Blick über Tbilisi in der Abendsonne



