Radtour vom Priwall nach Kaunas – Etappe 11: Węgorzewo (Angerburg) – Wiżajny

92 km | 4h 20 min | Landschaftlich schöne Etappe mit der idealen Mischung aus gutem Straßenbelag und Natur entlang der Grenze zu Kaliningrad bis zum Drei-Länder-Eck zwischen Polen, Litauen und Russland

Tagesroute

Um halb zehn starteten wir bei ca. 16 Grad und Sonnenschein in Węgorzewo. Wir kamen auch hinter der Stadt noch relativ lange in den Genuss eines asphaltierten Fahrradweges, ehe es nach etwa 16km auf die Straße ging, auf der heute allerdings nicht viel los war, was vielleicht am Feiertag Fronleichnam liegt. Der wird hier in Polen groß gefeiert. An einer Prozession sind wir sogar auch vorbeigekommen und vor der Kirche in Goldap gab es eine sehr lange Schlange von Gläubigen, die auf einen Segen (?) gewartet haben.

Auf dem Weg nach Goldap, der größten Stadt, durch die wir heute kommen sollten (mit etwas über 13.000 Einwohnern 😅), haben wir nicht den direkten Weg über die Landstraße genommen, sondern sind über einige Dörfer auf Nebenstraßen gefahren. Es war interessant zu sehen, wie viel vor den Kirchen los war, aber auch, welch gepflegten Eindruck alles machte. Generell kann man sagen, dass die dörfliche Infrastruktur, gerade auch was kleine Einkaufsmöglichkeiten angeht, in Polen besser zu sein scheint als in Deutschland.

Trotzdem waren wir froh, als wir kurz vor Goldap nach ein bisschen “Buckelpiste” wieder glatten Asphalt unter den Rädern hatten. Nachdem wir hier die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht hatten, legten wir eine kleine Pause am ehemaligen Marktplatz ein, der heute ein Park ist. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass wir bis dato beide sehr müde waren, da wir noch keinen Kaffee gehabt hatten. Der sehr starke Kaffee von der Eisdiele hat uns dafür richtig gepusht.

Hinter Goldap erwartete uns eine rasante und coole Fahrt mit viel Auf und Ab, aber der feinen Sorte, durch die Ausläufer der Rominter Heide (dazu unten mehr in Opis Ausführungen). In den Sümpfen entlang unseres Weges haben wir viel Gequake und Geunke gehört. Der Geruch in den waldigen Passagen hat mich an die Nationalparks, die wir auf unserer Kanadareise besucht haben, erinnert.

Kurz vor unserem heutigen Etappenziel Wiżajny machten wir einen kurzen Zwischenstopp am Drei-Länder-Eck zwischen Polen, Litauen und Russland. Die Stimmung dort war sehr merkwürdig, vor allem im Vergleich zu dem letzten Drei-Länder-Eck, das wir im Januar besucht haben (das Treriksröset an der finnisch-schwedisch-norwegischen Grenze). Getrennt von Zäunen und umzingelt von Überwachungskameras führte der Blick Richtung Kalinigrad ins Nichts, genauer gesagt in eine Waldschneise. In diesem Moment war ich wieder einmal froh, EU-Bürgerin zu sein – und dass die EU allein durch Infrastrukturprojekte wie Fahrradwege Menschen über Landesgrenzen und Sprachbarrieren hinweg verbindet und dabei hilft, Vorurteile abzubauen, das haben wir in den letzten elf Tagen erlebt!

Morgen geht es dann endgültig Richtung Litauen. Wir freuen uns darauf, Kaunas näher zu kommen, und fahren gleichzeitig mit einem sehr positiven Eindruck von Polen weiter. Das war bestimmt nicht der letze Urlaub in Polen, wo es noch so vieles zu entdecken gibt – vom letzten Sehnsuchtsort bis hin zur Hohen Tatra…

Impressionen vom Wegesrand

So ein Geunke (?) habe ich noch nie zuvor gehört!

Highlights

  • Dass die Sonne geschienen hat, als wir losgefahren sind – das motiviert so viel mehr als bedeckter Himmel.
  • Die tollen Naturerlebnisse am Wegesrand – ich erfreue mich immer noch an allen Störchen und ihren Nestern und die Geräuschkulisse am Sumpf war wirklich einmalig.
  • Dass (bis auf wenige Ausnahmen – aka Dänemark) Grenzen in der EU einfach so überschritten werden können.
  • Dass wir gestern für den Feiertag vorgesorgt haben und eben eine dicke Portion Nudeln mit Knorr verdrückt haben – beim (Rad-)Wandern ist so was schon mal okay.

Lowlights

  • Dass die letzten Tage unserer Tour anbrechen – obwohl ich mich sehr auf Kaunas und radfrei freue, macht es mir immer noch Spaß, zusammen mit Lennart und unseren Rädern zu reisen.
  • Dass das Internet heute Abend so schlecht ist – wird Zeit, dass wir nach Litauen kommen, die haben mit das beste Netz in ganz Europa ;).

Wusstest du schon, dass…

Ein Gastbeitrag von Werner H., Geschichtslehrer a.D. aus Quickborn

Die heutige Etappe ist ja die letzte auf polnischem Staatsgebiet; Wizajny liegt ja nur noch rund 5 km von der litauischen Grenze entfernt. Hoffentlich bekommt Ihr etwas mit von der Puszcza Rominska (Rominter Heide), einem sehr großen und wildreichen Wald- und Heidegebiet, das bald hinter Goldap beginnt. Es liegt seit 1945 zu 2/3 auf russischem und zu 1/3 auf polnischem Staatsgebiet. Der Name leitet sich von der pruzzischen Silbe „rom“ ab, die in etwa „still, ruhig, heilig“ bedeutet. Die Pruzzen waren die Ureinwohner Ostpreußens und weiter Teile des Baltikum. Traditionell war die Rominter Heide ein beliebtes Jagdgebiet der preußischen Könige. Während der NS-Zeit nahm der Reichsjägermeister Hermann Göring die Rominter Heide in Beschlag. Dass Ihr Euch langsam Litauen nähert, kann man an manchen Ortsnamen erkennen. Sie sind nicht mehr slawisch-polnischen Ursprungs, sondern litauisch. Auch Euer heutiger Zielort klingt litauisch. Die Grenzgebiete sind in deutscher Zeit teilweise von Litauern bewohnt worden. Im Zusammenhang mit den Versailler Friedensverhandlungen haben 1919/20 litauische Kreise versucht, Teile des ostpreußischen Grenzlandes für die neue Republik Litauen (Hauptstadt Kaunas) zu gewinnen. Aber sie waren erfolglos! Kurz vor Eurem Zielort bei dem kleinen Ort Bolcie beginnt die nordöstlichste Woiwodschaft Polens, nämlich Podlachien. Hauptort ist Suwalki. Gibt es eigentlich Schilder mit Wappen, wenn man an eine Woiwodschaftsgrenze kommt?

An Opi: Ja, wir haben ein Schild gesehen, aber nur an der Grenze zum Powiat Suwalski. Nix da mit „Willkommen im echten Norden“ und so 😉

Unser Tag in einem GIF

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