Radtour vom Priwall nach Kaunas – Etappe 9: Kadyny – Lidzbark Warmiński (Heilsberg)

104,3 km | Fahrzeit 4h 40min | Kurzweilig bis kurz vor der Grenze zu Russland, dann speedy über eine top ausgebaute Landstraße und sehr holprig und langsam über den Green Velo

Tagesroute

Während des leichten Regens am Morgen haben wir noch ganz in Ruhe unser Frühstück im herrschaftlichen Speisesaal unseres Hotels (Kadyny Folwark Hotel & Spa) genossen, bevor es um zehn Uhr losging. Gleich zu Beginn, bei Tolkmicko, erwartete uns ein knackiger Anstieg über 100 Höhenmeter, den wir aber erstaunlich gut meisterten. Die ersten 30km bis Braniewo fuhren wir übrigens auf der Landstraße 504, die nur wenig befahren und astrein asphaltiert war. Den ersten Zwischenhalt machten wir in Frombork (Frauenburg), wo wir die Kathedrale bei einem Kaffee am Wasserturm gegenüber bewunderten.

Hinter Braniewo ging es dann auf einer Nebenstrecke von der Küste weg, da wir ja den Bogen um Kaliningrad fahren müssen und leider nicht über die russische Seite der Kurischen Nehrung nach Litauen fahren können. Auf der anderen Seite haben wir so die Möglichkeit, Ermland-Masurem besser kennenzulernen. In dem kleinen Ort Zelazna Gora kamen wir der russischen Grenze auf zwei Kilometer nahe. Von dort aus führte eine top asphaltierte Landstraße, auf der wir richtig Stoff geben konnten, in Richtung Gorowo Ilaweckie. Auf dem Weg dorthin haben wir kurz in Lelkowo angehalten und ein paar Snacks gekauft und verdrückt.

Ab Gorowo Ilaweckie hatte das vergnügliche Radeln für uns leider ein Ende, da wir uns auf die Eurovelo-Webseite verlassen hatten, die den Green Velo auf dieser Strecke als „asphaltiert“ anpries. Wenn damit eine Straße gemeint ist, die zu 99% aus Schlaglöchern besteht, ist das sicher zutreffend. So mussten wir (und vor allem unsere Hinterteile) ein bisschen leiden. Zudem konnten wir die Natur, durch die wir fuhren (ein moorigen Feuchtgebiet, wo allerlei gekreucht und gefleucht hat) gar nicht so richtig genießen.

Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit sind wir wieder auf die Landstraße, die auch hier wenig und wenn, dann rücksichtsvoll befahren ist, ausgewichen und konnten die letzten Kilometer sehr smooth zurücklegen. Unsere Unterkunft heute liegt kurz vor Lidzbark Warmiński, wir übernachten heute in einer offiziellen Radunterkunft. Bei einem Feierabendbierchen konnten wir den schönen Ausblick auf den See genießen, der nur einmal von einem lauten Knall (wie bei einer Detonation) unterbrochen wurde. Es war wohl ein Flugzeug, dass die Schallmauer durchbrochen hat. Immerhin ist auch hier die russische Grenze nicht weit entfernt…

Impressionen vom Wegesrand

Highlights

  • Unser Frühstück hat uns heute sehr gut geschmeckt, vor allem die gesunde Müsliauswahl und die Erdbeeren.
  • Mit Sichtung eines Fuchses haben wir die „Big Five“ unserer Polen-Radreise komplettiert: Reh, Hase, Dachs, Storch und Fuchs.
  • Dass uns heute der Regen erspart geblieben ist – wir sind ihm quasi hinterher gefahren.
  • Dass wir spüren, dass der Trainingseffekt einsetzt und wir trotz Gepäck auf guten Straßen richtig schnell unterwegs sind, sogar wenn es bergauf geht.
  • Die Stimmung am See, als wir unser Feierabend-Bier genossen haben.

Lowlights

  • Gleich zu Beginn unserer heutigen Tour haben wir ein Reh leblos mitten auf der Straße liegen sehen.
  • Definitiv der nicht sehr überzeugende Streckenabschnitt auf dem Green Velo – so eine kaputte Straße habe ich noch nie gesehen :D.
Kleine Impression von den 15km Green Velo hinter Gorowo Ilaweckie

Wusstest du schon, dass…

Ein Gastbeitrag von Werner H., Geschichtslehrer a.D. aus Quickborn

Moin, heute also Etappe 9 auf dem Weg nach Osten – von Kadinen nach Heilsberg (polnisch Lidzbark Warminski), eine Kreisstadt mit ca. 16.000 Einwohnern in der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Von der polnisch-russischen Grenze seid Ihr ja nur ca. 20 km entfernt. Diese Grenze wurde 1945 auf der Potsdamer Konferenz zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik Polen beschlossen. Wie in den anderen „wiedergewonnenen Westgebieten“ wurden nach der Vertreibung der Deutschen auch im Ermland-Masuren Menschen aus den verloren gegangenen Gebieten Ostpolens angesiedelt. Hinzu kamen Ukrainer aus Südostpolen (Galizien), das ebenfalls an die Sowjetunion abgetreten werden musste. Falls Ihr auf Eurer heutigen Tour Russen treffen solltet, ist das nichts Ungewöhnliches. Seit 2012 gibt es einen „Kleinen Grenzverkehr“ zwischen Ostpommern, Ermland-Masuren und dem russischen Oblast Kaliningrad. Die Russen überschreiten gerne diese EU-Grenze (!), um sich mit Waren des täglichen Bedarfs zu versorgen. Seit dem Krieg in der Ukraine gibt es allerdings Einschränkungen im Kleinen Grenzverkehr. Heilsberg (Nomen est omen!) war ein Vorposten des Deutschen Ritterordens und Sitz der Bischöfe des katholischen Ermlandes. Vielleicht besucht Ihr die Bischofsburg.

Noch eine Anmerkung zur gestrigen Etappe. Mit großem Interesse haben wir die Ausführungen über die Majolika-Werkstätten in Kadinen gelesen. Im Zusammenhang mit dieser Fabrik sieht man Kaiser Wilhelm II. einmal in einem ganz anderen, positiven Blick. Ja, so finden sich noch manche Spuren deutscher Vergangenheit auf Euren Etappen…

Unser Tag in einem GIF

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