Radtour vom Priwall nach Kaunas – Etappe 8: Gdańsk (Danzig) – Kadyny

90,7 km | Fahrzeit 4h 18min | Etwas zäh, aus der Stadt wieder rauszukommen, dann zog das Tempo an und es ging erst durch eine Flusslandschaft und später durch erstaunlich hügeliges Gebiet in Küstennähe

Tagesroute

Ursprünglich hatten wir geplant, heute sehr früh loszufahren, da es am Nachmittag gewittern sollte. Gegen acht kam aber ein heftiger Regenschauer runter, sodass wir uns beim Aufstehen und Frühstücken doch etwas mehr Zeit gelassen haben, um nicht schon beim Losfahren nass zu werden. So brachen wir um halb zehn bei bewölktem Himmel, aber immerhin ohne Regen auf. Die ersten Kilometer durch die Altstadt und anschließend raus aus der Stadt waren zäh. Nachdem wir die letzten Stadtausläufer hinter uns gelassen hatten, konnten wir bis zur Fähre über die Weichsel Tempo geben. Dennoch benötigten wir für die ersten 25km fast anderthalb Stunden, das ist unser bisheriger Negativrekord ;).

Am anderen Ufer der Weichsel angekommen ging es bis Nowy Dwór Gdański weitestgehend über tolle Nebenstraßen. Sogar die Sonne kam raus und wir konnten gut Stoff geben. Wie von Opi beschrieben, fühlte es sich tatsächlich ein bisschen an wie in der Haseldorfer Marsch, nur dass dort keine Störche zwei Meter von einem entfernt über den Weg stolzieren. Hinter Nowy Dwór Gdański folgten wir wieder dem offiziellen Radweg bis zum Ufer der Nogat. Hinter uns zogen sich schon die Wolken bedrohlich zusammen und motivierten uns dazu, noch ein bisschen schneller zu fahren.

Bei Kepki überquerten wir die Nogat. Kurz darauf begann es zu regnen und wir warfen schnell unsere Regenjacken über. Eine Viertelstunde später begann es auch noch zu donnern, zum Glück fanden wir just in dem Moment einen Unterschlupf an einer Schule in einer Art Outdoor-Klassenzimmer, wo wir eine halbe Stunde ausharrten, ehe wir uns wieder auf den Weg machten.

Die letzten 20 Kilometer führten uns ins Küstennähe unserem Ziel Kadyny entgegen. Es ging reichlich auf und ab (man könnte fast sagen, es ist „bergig“ hier) und wir hatten zwei schwere Anstiege zu bewältigen. Zum Glück hörte der Regen vor der größten Anstrengung auf und die letzte Abfahrt von etwa 80 Höhenmetern auf null über anderthalb Kilometer Strecke konnten wir so wieder genießen. Um halb vier fuhren wir durch das feudale Tor unserer Unterkunft, einem Gutshaus am ehemaligen Sommersitz von Kaiser Wilhelm II., und waren sehr froh, die Worte „You must be cold, I‘ll reserve the sauna for you“ zu hören.

Gesagt, getan, erst wurde sauniert, dann diniert, und eben kam auch noch einmal die Sonne raus, was uns dazu veranlasst hat, dem Kloster und Aussichtsturm auf dem Hausberge von Kadyny einen Besuch abzustatten. Von dort konnten wir die tolle Aussicht auf das Frische Haff und die Frische Nehrung genießen.

Impressionen vom Wegesrand

Highlights

  • Dass wir überwiegend Sonnenschein hatten.
  • Der Storch, der uns so nah war, dass wir fast ein Selfie mit ihm hätten schießen können – aber dann war er schon weg.
  • Die abwechslungsreiche Landschaft heute – wir sind gespannt auf das „Hinterland“ von Ermland-Masuren (so heißt der Landesteil, in dem wir uns nun befinden).
  • Der Outdoor-Klassenraum, der uns zur rechten Zeit am rechten Ort Schutz geboten hat.
  • Das Aufwärmen in der Sauna.
  • Das leckere Essen.
  • Unser Abendspaziergang auf den Hausberge – ein bisschen Wanderfeeling muss sein :).

Lowlights

  • Die Toilettenlage am Straßenrand – obwohl die Fahrradrastplätze echt toll gestaltet sind mit Bänken, Mülleimern, Überdachung, Abstellmöglichkeiten für die Räder, Reparaturstation und Co, fehlt meist ein entscheidendes Element: Das stille Örtchen.
  • Ich könnte jetzt sagen, der Regen – allerdings bin ich froh, dass es erst auf dem letzten Drittel unserer heutigen Wegstrecke geregnet hat und es gehört ja irgendwie auch dazu. Außerdem war das ein Grund, in die Sauna zu gehen, und das deftige Essen hat so auch besser geschmeckt. Aber ich gebe zu, dass Regen sich auch besser ertragen lässt, wenn man nicht im Zelt übernachten muss, sondern in einer warmen und wohligen Unterkunft.

Wusstest du schon, dass…

Ein Gastbeitrag von Werner H., Geschichtslehrer a.D. aus Quickborn

Heute seid Ihr also auf dem Weg nach Kadyny am Zalew Wislany (Kadinen am Frischen Haff). An dieser Ortsbezeichnung kann man sehr gut studieren, wie Polen 1945 nach der „Wiedergewinnung der Westgebiete“ die deutschen Namen polonisiert hat. Erstens wurden sie wie bei Kadinen einfach ins Polnische übersetzt. Oder sie bekamen zweitens einen Namen nach einer polnischen Persönlichkeit. Oder drittens wurden die polnischen Namen, die in der NS-Zeit eingedeutsch wurden, einfach wiederhergestellt.

Ihr durchfahrt heute sicherlich den Werder der Weichsel. Als „ Werder“ werden die Flussinseln im Weichseldelta (polnisch Zulawy Wislane) bezeichnet. Schaut Euch mal vom Rad aus die Landschaft an. Hat man nicht manchmal den Eindruck, in der Haseldorfer Marsch oder in Dithmarschen zu sein? Günter Grass hat in seinem Roman „Hundejahre“ meisterhaft das Charakteristische von Mensch und Geschick, Zeit und historischer Entwicklung dieser eigenartigen Landschaft des Weichsel-Werders beschrieben.

Wenn Ihr die Nogat überschreitet, dann habt Ihr Westpreußen verlassen und seid nun in Ostpreußen. Leider besucht Ihr ja nicht Marienburg (polnisch Malbork) an der Nogat, dem Zentrum des Deutschen Ritterordens. Aber auch die Geschichte der Stadt Elbing (polnisch Elblag), durch die Ihr sicherlich auf Eurem Weg nach Kadyny am Frischen Haff fahrt, ist auch eng mit dem Deutschen Orden verbunden. Fast 100 Prozent der historischen Bausubstanz Elbings wurde am Ende des 2. Weltkrieges dem Erdboden gleichgemacht. In manchem Reiseführer ist zu lesen, dass die Stadt insgesamt immer noch einen tristen, unharmonischen Eindruck macht. Kein Wunder, denn mit den heilgebliebenen Elbinger Mauersteinen bauten die Polen die Warschauer Innenstadt wieder auf!

Heute ein noch ein Spezial zum Thema Hamburg von Katharina: Wusstest du, dass einige Fliesen im Alten Elbtunnel aus dem Ort stammen, in dem wir heute übernachten? Und zwar kam das so: „Die Gegend um Cadinen (Kadyny) war schon für ihre umfangreichen Tonvorkommen bekannt, als Kaiser Wilhelm II. im Dezember 1898 das verschuldete Gut Cadinen gegen Entschuldung übernahm. Die zahlreichen Ziegeleien um Cadinenen und am ganzen Haffufer entlang belegten das. Auch zum nun kaiserlichen Privatgut Cadinen gehörte eine mit Handstrich arbeitende Ziegelei. Der neue Eigentümer Kaiser Wilhelm II. ließ das Tonmaterial von der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur (KPM) in Berlin auf seine Keramik-Tauglichkeit hin überprüfen. Es zeigte sich, dass der Cadiner Ton sehr gut für die Herstellung feiner Keramiken geeignet war. Daraufhin ließ Wilhelm die Ziegelei erweitern und für die Keramik-Herstellung einrichten.“ (Quelle: https://ermland-masuren-journal.de/cadiner-majolika-keramikkunst-am-frischen-haff/)

Unser Tag in einem GIF

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