Radtour vom Priwall nach Kaunas – Etappe 5: Kołobrzeg (Kolberg) – Ustka (Stolpmünde)

121,2 km | Fahrzeit 5h 47 min | Vielleicht die bislang schönste Etappe, auf jeden Fall aber die längste; auf tollen Fahrradwegen (davon kann sich der Ostseeküstenradweg in Deutschland aber echt eine Scheibe abschneiden) und entlang der Küste und einsamen Straßen über die Dörfer ging es heute für uns durch Westpommern, das eine besondere Bedeutung für meine Familie hat…

Tagesroute

Bevor es ans Eingemachte geht, wie krass ist es eigentlich, dass wir gerade in fünf Tagen eine Strecke abgerissen haben, für die wir auf unserer Kungsleden-Wanderung fast fünf Wochen benötigt haben? Es sind zwei völlig unterschiedliche Bewegungs- und Erlebnisformen, obwohl ich so langsam verstehe, warum manche das Ganze zu einem “Bike and Hike” kombinieren – vielleicht eine Idee für das nächste Abenteuer?

In unserem Seniorenhotel gab es heute Morgen ein leckeres und reichhaltiges Frühstück mit allerlei Fischspezialitäten, Salaten (u.a. ein feines Rote Bete Carpaccio) und mit Sahne und Beeren gefüllten Pfannkuchen. Beim Auschecken wurden wir noch einmal kritisch beäugt. Pünktlich um neun (das erste Mal auf dieser Tour) standen wir auf dem Hof und haben unser Gepäck aufgeladen. Die Beine haben sich beim Losfahren ein bisschen schlapp angefühlt (insbesondere vor dem Hintergrund, dass uns noch 120 km bevorstanden), aber das Gefühl hat sich im Angesicht der Sonne und der geilen (es gibt kein anderes Wort dafür, sorry) Radwege schnell verflüchtigt! Die ersten 45 km legten wir in Küstennähe auf top ausgebauten und asphaltierten Radwegen zurück. Insbesondere ein Streckenabschnitt, der spielerisch (ein paar Kurven und Auf und Ab) durch ein Waldstück vor Mielno führte, hat es uns angetan. Damit gibt es für die Region um Kołobrzeg herum von uns eine klare Empfehlung als Urlaubsregion für Radsportler (auch mit Kindern, weil die Mehrheit der Radwege von den Autos getrennt ist bzw. sogar autofrei ist). Nach etwas über zwei Stunden haben wir in Lazy (haha, das passt ;)) Waffelpause gemacht. Das tat gut! Bis Darlowo (ehemals Rügenwalde, übrigens der Herkunftsort der Familie, die die Firma Rügenwalder Mühle gegründet haben – bester veganer Fleischsalat) schmolzen die nächsten 30 km nur so dahin, auch dort haben wir nochmal eine kurze Verschnaufpause gemacht, ehe wir zu den letzten 45 km angetreten sind. Hier sind wir etwas vom Eurovelo abgewichen und über ein paar pommersche Dörfer gefahren, die erstaunlich belebt und jung wirkten. Der für den Nachmittag angekündigte Regen blieb zum Glück aus, sodass wir trocken und glücklich um kurz nach 16 Uhr unsere Unterkunft bei Ustka erreichten, eine Pension inmitten eines ruhig gelegenen Ferienhausgebietes. By the way, wir haben heute wieder so viele Baustellen gesehen, dass Lennart meinte, es sei kein Wunder, dass in Deutschland keine polnischen Handwerker mehr aufzugabeln seien ;). Eben haben wir noch lecker Polnisch gespeist in einem gemütlichen Lokal etwa einen Kilometer von der Pension entfernt – mehr war nach heute nicht mehr drin…

Impressionen vom Wegesrand

Highlights

  • Der Gastbeitrag von Papi, der mich heute erreicht und sehr berührt hat, und der von der Verbindung unserer Familie zu Westpommern erzählt – aber auch von so viel mehr: von Vertreibung aus der Heimat und Hoffnung auf Frieden – ein Thema, das leider für viele Menschen europa- und auch weltweit noch immer aktuell ist. https://always-moving.blog/2022/06/09/familie-pergande-westpommern/
  • Dass Lennart heute Morgen früh aufgestanden ist, um unsere Fahrräder mit ein bisschen Liebe zu versorgen. Und Lennarts Navigationskünste mit Garmin, Strava, Google Maps und Komoot. Wenn ihr mehr wissen wollt, vielleicht schreibt er ja auch mal einen Gastbeitrag?
  • Die geilen Radwege, die uns einen “smooth ride” ermöglicht haben.
  • Dass sich die Regenvorhersage wider Erwarten nicht erfüllt hat.
  • Der Eiskaffee in der Pause in Lazy.
  • Die vielen Störche, die wir fliegen gesehen und klappern gehört haben.
  • Die weiterhin vorbildlichen polnischen Autofahrer, die auf Radfahrer super Rücksicht nehmen – vielleicht (hoffentlich) ist das hier sogar Standard?
  • Das alkoholfreie Bier, das hier in leckeren Sorten angeboten wird (heute hatte ich Limette-Minze und das schmeckt viel besser, als es klingt. Sehr erfrischend :)).
Eine kleine Kostprobe von den Radwegen

Lowlights

Ehrlicherweise – obwohl wir generell natürlich ein bisschen „Körper“ haben – gab es heute nix, was uns auch nur ein kleines bisschen geärgert hat. Finde ich gut :).

Wusstest du schon, dass…

Ein Gastbeitrag von Werner H., Geschichtslehrer a.D. aus Quickborn

.. der Ausdruck “wiedergewonnen Westgebiete” für viele nationalbewusste Polen – und davon gibt es eine ganze Menge – von großer Wichtigkeit ist? Mit diesem Terminus bezeichnen die Polen die Ostgebiete des Deutschen Reiches (Pommern, Ostpreußen und Schlesien), die am Ende des 2. Weltkrieges von der Sowjetunion der Volksrepublik Polen übergeben worden sind. Warum „wiedergewonnene Gebiete“? Nach der Zwangsvertreibung der deutschen Bevölkerung wurden bevorzugt Polen aus Ostpolen, das an die Sowjetunion abgetreten werden musste, angesiedelt. Diese Polen waren also ebenfalls Vertriebene. Sie fühlten sich in der neuen Umgebung entwurzelt und heimatlos. Um dem Gefühl der Entwurzelung entgegenzuwirken, wurde den polnischen Neusiedlern in Pommern, Schlesien und Ostpreußen erzählt, dass ihr neue Heimat unter den Piasten-Herrschern früher einmal urpolnisches Land gewesen ist, das die Deutschen im Mittelalter geraubt haben. Durch den Ausgang des 2. Weltkriegs hat Polen somit Pomorze (Pommern), Slask (Schlesien ) und Mazuri (Ostpreußen) „wiedergewonnen“.

Ab Slupsk (Stolp), beginnt die Kaschubei. In diesem östlichen Teil Pommerns, leben die Kaschuben, ein westslawisches Volk.

Unser Tag in einem GIF

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